GesetzentwurfMit Staatstrojanern gegen Geldautomatensprengungen

Ein Referentenentwurf des Innenministeriums fordert höhere Haftstrafen für die Sprengung von Geldautomaten. Die Täter*innen sollen auch mit Staatstrojanern verfolgt werden können.

Ein gesprengter Geldautomat
Und es hat Boom gemacht: Dieser Automat in Chemnitz wurde im Juni gesprengt. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / HärtelPRESS

Die Sprengung von Geldautomaten gefährdet Menschenleben, so das Bundesinnenministerium im Vorwort eines aktuellen Referentenwurfs. Außerdem entstünden der Finanz- und Versicherungswirtschaft dadurch erhebliche finanzielle Schäden.

Deshalb soll, so der Entwurf, die Sprengung von Geldautomaten in den Paragraf 100a der Strafprozessordnung aufgenommen werden. Das ermöglicht den Strafverfolgern den verdeckten Einsatz von Telekommunikationsüberwachung – und zugleich auch von Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), also Staatstrojanern. Mit einer solchen heimlichen Spionagesoftware können verschlüsselte Nachrichten auf den Endgeräten unverschlüsselt abgefangen werden.

Das Problem: Die betroffenen Computer oder Smartphones müssen für den Staatstrojanereinsatz gehackt werden. Ein weiteres Problem: Staatstrojaner können theoretisch viel mehr als nur Nachrichten überwachen. Zum Beispiel alle Daten auslesen, Mikrofon und Kamera fernsteuern und sogar Daten verändern. So könnten mit dieser Art Spionagesoftware sogar gefälschte Beweise auf den betroffenen Mobiltelefonen oder Computern platziert werden.

Einschränkungen für Staatstrojaner

Der Entwurf des Innenministeriums wurde gemeinsam mit dem Justizministerium entwickelt. Justizminister Marco Buschmann (FDP) ist die Bedrohung, die Staatstrojaner für die Privatsphäre und die IT-Sicherheit darstellen, durchaus bewusst. Er wollte deshalb eigentlich die Liste an Straftaten entschlacken, für deren Verfolgung Staatstrojaner eingesetzt werden können, so ein Referentenentwurf aus dem Jahr 2023, den wir veröffentlicht haben.

Außerdem soll, so der Entwurf, die Quellen-TKÜ technisch so eingerichtet werden, dass sich damit nur noch laufende Kommunikation auslesen lässt. Zudem soll nicht ein einzelner Richter über den Einsatz der Quellen-TKÜ entscheiden, sondern die Kammer eines Landgerichts.

Von der Verfolgbarkeit mit Quellen-TKÜ ausnehmen will Buschmann mit dem Entwurf beispielsweise Urkundenfälschung und Wettbewerbsstraftaten. Weiter mit einem Staatstrojaner in Form einer Quellen-TKÜ verfolgbar blieben demnach unter anderen Mord und Totschlag, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder das Einschleusen von Ausländern.

Schon der Versuch soll strafbar werden

Laut dem aktuellen Referentenentwurf zur Verfolgung von Geldautomatensprengungen soll auch schon der Versuch des Erwerbs und der Überlassung von – sowie der versuchte Umgang oder Handel mit – Sprengstoffen unter Strafe gestellt werden. Das ist vermutlich im Kontext der möglichen Telekommunikationsüberwachung zu lesen. Denn für deren Einsatz muss die oder der Betroffene entweder bereits eine schwere Straftat begangen haben oder es muss allein der Versuch, diese Straftat zu begehen, schon strafbar sein.

Außerdem sollen mit den angestrebten Gesetzesänderungen die Mindeststrafen erhöht werden. Bislang lag die Strafe für das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion bei nicht unter einem Jahr. Nach dem Entwurf sollen es künftig mindestens zwei Jahre sein, wenn damit ein Diebstahl begangen wird. Werden mehrere Menschen durch die Explosion gesundheitlich geschädigt oder ein Mensch schwer verletzt, beträgt die Mindeststrafe bislang zwei Jahre, künftig sollen es fünf Jahre sein.

Zusätzlich sollen bandenmäßige und gewerbsmäßige Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz mit Freiheitsstrafen nicht unter sechs Monaten bestraft werden.

Schutz gegen Sprengung

2022 versuchten Kriminelle deutschlandweit in 496 Fällen Geldautomaten zu sprengen, in rund 60 Prozent der Fälle waren sie erfolgreich, so das aktuellste Bundeslagebild des Bundeskriminalamts. Die Zahl der Taten war so hoch wie noch nie seit Beginn der Erfassung 2005. Von 2021 auf 2022 stieg sie um 26,5 Prozent.

In 399 der 496 Fälle verwendeten die Täter:innen feste Explosivstoffe, oft wohl Schwarzpulver aus legaler Pyrotechnik. Zuvor war das Sprengmittel meist ein sprengfähiges Gemisch aus Luft und beispielsweise Propangas oder Acetylen.

2023 ist die Zahl der Taten laut Vorwort des Referentenentwurfs allerdings bereits leicht gesunken, angeblich aufgrund von mit der Deutschen Kreditwirtschaft vereinbarten Sicherungsmaßnahmen. Nach einem Runden Tisch im Jahr 2022 hatte sich diese verpflichtet, Geldautomaten zumindest mit einem Grundschutz gegen Sprengungen auszustatten.

Es ist wohl möglich, die Automaten abzusichern. Die R+V-Versicherung, die Banken diesbezüglich berät, empfiehlt, die Automaten in freistehenden Pavillons aus bis zu 15 Zentimeter starkem Stahlbeton unterzubringen. Die seien „massiv wie ein Bunker“.

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5 Ergänzungen

  1. Abgesehen von der Problematik des Einsatzes des Staatsstrojanerns liegen die Sachverhalte bei Geldautomatensprengungen doch komplexer als der Anschein es vorgibt. Ich empfehle aus der ARD Crime Time Serie diese Doku: https://www.ardmediathek.de/video/ard-crime-time/folge-1-jeden-tag-eine-sprengung-s24-e01/mdr-fernsehen/Y3JpZDovL21kci5kZS9zZW5kdW5nLzI4MjA0MS8yMDIzMTExNzAwMDAvbWRycGx1cy1zZW5kdW5nLTc2NTA
    Ich gebe den Banken eine Teilverantwortung dafür, dass Deutschland ein Eldorado für die Täter aus den Niederlanden ist. Sofern die Aussagen in der Doku zutreffen, sind die Geldautomaten nicht mit Farbpatronen ausgestattet, die nach einem gewaltsamen Aufbrechen des Automaten das Geld umbrauchbar machen. Hinzu kommt, dass viele Automaten halt einfach zugänglich sind. Ein treffendes Beispiel aus meiner Wohngegend. Die Bank A hat die Geldautomaten in einem Vorraum installiert, der nachts verschlossen ist. Folglich müsste in den Vorraum eingebrochen werden, was aber unweigerlich den Einbruchsalarm auslöst. Die Bank B hat den Vorraum nie verschlossen, man konnte wenn man wollte nachts um 02:00 Uhr Bargeld abheben. Bank B fiel den Automatensprengern zum Opfer und ich, der 200 m Luftlinie entfernt wohnt, morgens um 03:00 Uhr aus dem Bett. In den Niederlanden geht man dazu über, die Geldautomaten in Geschäften unterzubringen, die neben den Farbbeuteln auch mit einer Nebelsprühanlage versehen sind. Damit soll den Tätern die Orientierung und eine schnelle Flucht erschwert werden.

  2. Fortsetzung
    Ich weiß nicht, welche objektiven Gründe entgegenstehen, die gleichen oder ähnlichen Schutzmaßnahmen auch hierzulande einzuführen. Sind es wieder mal die „berühmten“ Kosten? Trifft es zu, dass es billiger ist, eine verwüstete Bankfiliale wieder instandzusetzen, als Schutzmaßnahmen für die Automaten zu treffen? Die Verantwortung für Straftaten liegen immer bei den Tätern und nicht bei den Opfern. Aber als potentielles Opfer kann ich es den Tätern so schwer machen wie möglich. Ich kann meine Haustür mittels Buntbartschloss oder Zylinderschloss sichern. Welches Schloss lädt potentille Täter eher ein?

    1. Ja, Sprengen lassen ist billiger. Keinerlei zusätzliche Investitionskosten aber trotzdem voller Schadenersatz durch die Versicherung.

      „Die Verantwortung für Straftaten liegen immer bei den Tätern und nicht bei den Opfern.“

      Aus keinen Fall! Gerade bei gewerbliche handelnden Organisationen gilt dass die angeblichen Opfer fast immer Mittäter sind weil sie ein Organisationsverschulden begehen. Leider sind gerade die deutschen Staatsanwalten viel zu inkompetent oder schlafmützig.

  3. Es würde mich nicht ernsthaft überraschen, wenn eines Tages herauskäme, dass Visa und/oder Mastercard hinter den Banden stecken. Ausschaltung des lästigen Konkurrenzprodukts indem man es mit hinterfotzigen Methoden künstlich verteuert und auf diese Weise für Banken unattraktiv macht.

  4. https://www.heise.de/news/EU-Kommission-Nationale-Sicherheit-ist-kein-Blankoscheck-fuer-Spyware-9811288.html

    Offenbar möchte die EU-Kommission die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, also auch unsere, mit einer „Mitteilung“ (?!) auffordern, wenn schon Trojaner, dann folgende Punkte einzuhalten:
    – vorab Genehmigung von einem Gericht oder einer unabhängigen Stelle notwendig
    – Journalisten dürften keine Ziele von Spyware werden
    – Benachrichtigungspflicht, sobald die angeführte Bedrohung vorbei ist
    – auf den Kampf gegen schwere Straftaten beschränkt.

    Wir bräuchten in diesem schönen Bemühen um das Richtige etwas WIRKSAMES.
    (Ich werde wieder Hoffnung schöpfen, sobald Edward Snowdens Kinder nicht ausgerechnet in Putins Russland zur Schule gehen müssen … Rechtsstaatlichkeit braucht Aufrichtigkeit,
    also echten Whistleblowerschutz für Verfassungsverteidiger).

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